Header

Suche
Quantencomputing und Sicherheit

Sind wir fit für eine Zukunft mit Quantencomputing?

Quantentechnologien wecken grosse Hoffnungen und ziehen ein immer grösseres Volumen an öffentlichen und privaten Investitionen an. Auch wenn nicht alle Erwartungen erfüllt werden können, sollte die Schweiz anstreben, im internationalen Technologie-Wettlauf vorne mit dabei zu sein.
Titus Neupert
Die Schweiz sollte ihre Erfolge im Bereich Quantensensorik ausbauen, ist Physikprofessor Titus Neupert überzeugt. (Bild: iStock, koto_feja)

Quantencomputer und Quantenkommunikation sind häufig genannte Schlagworte, wenn es um die wichtigsten technologischen Zukunftsthemen geht. Mittlerweile sind viele grosse Player wie IBM, Microsoft und Google stark investiert, diese neuen Techno­logien voranzutreiben. Dabei schaffen sie nicht nur eine neue Art Computer, sondern bauen Systeme auf, die hinsichtlich ihrer Komplexität alles, was es bisher an Rechen­technik gab, in den Schatten stellen.

Noch haben sie nicht demonstriert, dass diese Maschinen einen Vorteil bringen, also nützliche Rechnungen ausführen, für die herkömmliche Computer endlos lange bräuchten. Aber die Hoffnung, dass dies in den nächsten Jahren möglich sein wird, ist weit verbreitet. Schon jetzt sind die Systeme aber so komplex, dass sie die typischen Skalen der akademischen Forschung an Universitäten und nationalen Forschungs­zentren an ihre Grenzen bringen. Das ist einer der Gründe, warum Forschungs­nationen gerade jetzt klare Strategien für Quanten­technologien brauchen. Die EU hat sich jüngst solch eine Strategie gegeben, die Schweiz hat noch keine.

Schweiz sollte Potenzial in Quantensensorik ausbauen

Der Hype um Quantencomputing stellt bisweilen andere Quantentechnologien in den Schatten, die aber nicht weniger disruptives Potenzial haben. Insbesondere Quanten­sensorik bekommt wenig Aufmerksamkeit. Dabei geht es um hochsensitive Mess­technik, die zum Beispiel Navigation, Medizin und Geologie revolutionieren könnte.

Titus_Neupert_Quote_420

Apparate zum genauen Messen herzustellen, ist beinahe eine Verpflichtung für die Schweiz mit ihrer Uhrentradition.

Titus Neupert
Professor für theoretische Physik und Mitglied des DSI-Direktoriums

Quantensensoren können auf verschiedenen Funktionsprinzipien beruhen, haben aber gemeinsam, dass sie quantenmechanische Effekte wie Verschränkung oder Super­position nutzen. Bahnbrechende Entwicklungen können hier schon in kleinerem Mass­stab stattfinden, was dem typischen, in der Schweiz etablierten Innovations­strang von akademischer Forschung zu Spin-offs oder Start-ups entgegenkommt. In der Tat ist die Schweiz schon sehr erfolgreich im Bereich Quanten­sensorik, sollte dieses Potential aber weiter ausbauen. Apparate zum genauen Messen herzustellen, ist beinahe eine Verpflichtung, die sich aus dem Image der «Uhrennation» ergibt. Beispielsweise wäre die Entwicklung einer Schweizer optischen Atomuhr ein wichtiger Schritt zum Erhalt unserer Wettbewerbs­fähigkeit.

Lösung für das Knacken von Verschlüsselungen

Eine viel konkretere Verpflichtung zum Handeln ergibt sich aber aus der Furcht vor den Fähigkeiten zukünftiger Quantencomputer. Obwohl wir noch nicht so recht wissen, für welche Rechenaufgaben sie den grössten Nutzen bringen werden, steht eines fest: Sie werden bisher gängige Datenverschlüsselungen knacken können. Obwohl Quanten­computer mit dieser Fähigkeit noch einige Jahre auf sich warten lassen werden, geht die Sorge um, dass feindliche Akteure bereits jetzt verschlüsselte Daten sammeln, um sie später zu lesen.

Prinzipiell ist dieses Problem sehr einfach zu lösen: Es sind Verschlüsselungs-Algorithmen bekannt, die auch für Quanten­computer schwer zu knacken sind. Diese als post-quantum secure eingestuften Verschlüsselungen werden schon routinemässig bei Diensten wie WhatsApp benutzt. Die Umstellung der Verschlüsselung in anderen Bereichen – wie etwa im Finanz­sektor oder in der öffent­lichen Verwaltung – geht aber nur schleppend voran. Hier ist ein grösseres Tempo einzufordern.

Sichere Kommunikation möglich, aber noch nicht gefragt

Ein weiterer Bereich, in dem bestehende technische Möglichkeiten und deren Adaption auseinanderklaffen, ist die sichere Kommunikation durch das Verteilen von Quanten­schlüsseln. Dabei werden quantenphysikalische Prinzipien ausgenutzt, um fundamen­tal abhörsichere Kommunikation zu ermöglichen und diese für das Verteilen von «Schlüsseln» zu nutzen, also den Initial­nachrichten zur Identifi­kation der Kommunikations­partner, die daraufhin eine sichere Kommunikation auf «klassischen» Kanälen ermöglichen.

Diese Methode, die sogenannte Quantum Key Distribution, bedarf spezieller Hardware, die längst kommerziell erhältlich ist – etwa vom Schweizer Unternehmen ID Quantique. Noch ist Quantum Key Distribution aber eine Nischen­anwendung. Dies vor allem, weil Unternehmen die Gefahr, dass böswillige Akteure ihre Kommunikation anzapfen, als nicht hoch genug einstufen, um den beschwerlichen Schritt hin zu einer neuen Technologie zu machen. Die Swisscom hat indes demonstriert, dass verschlüsselte Quanten­informationen in den bestehenden Glasfasernetzen übertragbar sind.

Wir sehen aus diesen Schlaglichtern: Quanten­technologien sind in einigen Bereichen bereits Realität, in anderen werfen sie ihre Schatten voraus und fordern ein techno­logisches Umdenken ein. Um ihr Potenzial optimal zu nutzen, müssen wir jetzt strategisch entscheiden, informieren, durch Anreize motivieren und investieren.